Woher weht der Wind?
Journal Frankfurt April 2005
Dieses Mal stellen wir in unserer Serie den Frankfurter Künstler Mike Kuhlmann vor. Der malt gerade auf der thailändischen Insel Phuket das größte Bild der Welt. Nicht alleine: Über 1000 Kinder haben ihm dabei geholfen. Unser Autor Thorben Leo auch.

Ein Bild für Gott. "Egal welchen", sagt Mike Kuhlmann an diesem Morgen, dem zweiten Tag des thailändischen "Sonkran" -Neujahrsfestes, mitten im April. Zwischen bunten Sonnenschirmen und Meerwasser malen Kinder auf eine zweihundertfünfzig Meter lange Leinwand. Thailändische Jungs mit rasierten Köpfen, die Mädchen mit einer Spange im Haar tauchen immer wieder Pinsel in die roten, gelben, blauen und grünen Wasserfarben.
Konzentriert gehen sie zu  Werke. Für sie ist die Malerei wichtig. Eltern, Lehrer, vorbeilaufende Touristen, einheimische Eisverkäufer beobachten fasziniert das bunte Spektakel am Strand. Der Frankfurter Künstler Mike Kuhlmann springt barfuss zwischen den Kindern im heißen Sand herum. Er lächelt liebevoll, taucht einen Pinsel in den Farbtopf und malt eine Sonne auf die Leinwand. Anschließend wirft der 38-jährige - auf solche Ideen kommen wohl nur Künstler - eine Prise Sand auf die frische Farbe. "Das marmoriert", erklärt Kuhlmann verschmitzt. Manchmal huscht er an diesem für ihn ganz besonderen Tag auch ein paar Meter weg von der auf Bambusrohre gespannten Leinwand und schaut auf das bunte Spektakel. Er ist glücklich über die mehr als tausend Kinder, die aus den Tsunamigeschädigten  Regionen mit Bussen gekommen sind. Zum Beispiel Kinder aus Khao Lak, die in diesem Moment mit Freude das weiße Papier mit Farbe bearbeiten. "Malen therapiert", sagt der Meister, der den meist traumatisierten Kindern die Aufgabe stellte, sich und ihre besten Freunde aufs Papier zu bringen.

"Malen therapiert", sagt der Meister und nimmt sich so der traumatisierten Kinder an.

Mike Kuhlmann ist Autodidakt. Einer, der experimentiert und die Gesetze der gelernten Malerei gnadenlos aushebelt. "Digital Painting" nennt er seine Arbeit mit Bildern am Computer. In der Finanzstadt Frankfurt genießt Kuhlmann spätestens seit 2001, als er mit der Ausstellung  "Die Mark" Furore machte und der alten Währung seine digitale Handschrift verpasste, Anerkennung.
Wichtiger sind dem Künstler jedoch die Kleinen der Welt. "Propheten" nennt er die Idee, möglichst viele Kinder auf der ganzen Welt an die Hand zu nehmen. Wichtig sei deren Bildung, so der Maler. Lange vor dem Seebeben hatte er das Label "Propheten" gegründet. Ein Buch mit Bildern von Kindern aus der ganzen Welt ist entstanden. Kuhlmann entwirft eine Zeitschrift nur "mit positiven Meldungen für Kinder". Eine Homepage ist geschaltet: http://www.prophten.com/. Auf einer CD mit Chill-out-Musik fragen zwischen den Liedern die Kinder: Wohin weht der Wind? Oder: Warum ist das Meer blau? Im vorigen Jahr überreichte er einem Schulleiter in Nepal die Schlüssel zu einem Haus - siebentausend Euro haben der Bau und die Infrastruktur der Bildungsstätte für rund vierzig Kinder und drei Lehrer gekostet. Spendengelder von seiner Hilfsorganisation.
Die Sonne wirft lange Schatten. Noch immer malen die Kinder. Mike Kuhlmann beobachtet schweigend, wie die Helfer die lange bunte Leinwand einwickeln. Mit den vielen darauf verewigten Schicksalsgeschichten, traumatischen Erlebnissen, Wünschen, Sorgen, Ängsten. Aber auch Hoffnungen, die jetzt per Schiff um die Welt segeln sollen. Am 30. April ist das Bild "für die Götter" in Frankfurt am Main zu sehen. Danach in Hamburg, Berlin, Paris, London und New York.